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Mit den Raben fliegen
Aus dem Gedichtzyklus Im Toiblingswald, Radierung Klaus Schlosser, 1986, aus: schwortswaise raabooche (a.a.O.).


Die medizinische Topographie des Physikatsbezirkes Gladenbach 1833 Jahresbericht des Mediziners Dr. Deibel vom 12. Oktober 1832 im Landratsbezirk Gladenbach.

Der Physicatsbezirk Gladenbach liegt zwischen dem 50° 42' und 50° 53' nördlicher Breite und zwischen dem 26° 2' und 26° 20' östlicher Länge. Er gränzt gegen Norden an den Bezirk Biedenkopf; gegen Süden an den Bezirk Gießen und das Königreich Preußen; gegen Osten an das Kurfürstenthum Hessen; gegen Westen an das Herzogthum Nassau. Seine höchste Höhe über der Meeresfläche, findet sich auf dem Rachelshäußerkopf, ein Berg zwischen Rachelshaußen, Runzhaußen und Holzhausen und beträgt 1626 Fuß über der Meeresfläche. Der Bezirk hat viele Berge und Anhöhen auf welchen man Hoch- und Niederwaldung findet und ist im eigentlichen Sinn des Wortes, unfruchtbar, rauh und kalt. Außer dem Lahnfluß, welcher den Bezirk in der Gegend von Friedensdorf eine kurze Strecke berührt, finden sich noch folgende Bäche: 1) die Alnau; 2) die Perf; 3) die Dautphe und 4) die Salzböthe.

Die Bevölkerung beträgt gegen 13600 Seelen, in einem Marktflecken 45 Dörfer und 2 Höfe. Das Clima ist wegen der hohen Lage des Bezirks, viel rauher, als in den tiefer liegenden Gegenden um Gießen und nach der Wetterau hin. Die Winter dauern in der Regel 4-5 Monate lang und fangen auf den Anhöhen namentlich in der Gegend von Bottenhorn früher als in den tiefer gelegenen Gegenden des Bezirks an. Der Bezirk ist reich an Mineralien, es sind jedoch nur wenige Bergwerke in Betrieb, wie z.B. der Eisenberg zu Rachelshaußen und Lixfeld und das Kupferbergwerk zu Silberg. Bey Hartenrod wird Gypsspath gewonnen, bey Gladenbach sind Schiefergruben und bey Bischoffen einträgliche Sandgruben. Der Boden ist verschieden, meistens jedoch leicht und mit Heidenerde vermischt; eine Hauptrolle spielt der bläuliche Thonschiefer. Hier und da findet man bläulich graue Kalksteine, etwas Thon und fast bey jedem Ort des Bezirks Lehmboden; dagegen sehr wenig Dämmerde. An magerem und fetten Rindvieh, sowie an mageren und fetten Schweinen, ist kein Mangel und es könnte noch viel mehr geleistet werden, wenn die Bewohner des Bezirkes wovon jedoch einige Orte eine rühmliche Ausnahme machen - Stallfütterung einführten und mehr auf Kleebau und Wiesenverbesserung bedacht wären. Das Pflanzenreich liefert die nöthigen Getreidearten, wie Korn, Gerste, Weitzen, Hafer, Erbsen, Linsen und Heidekorn (-Buchweizen) sowie die erforderlichen Gemüse, wie Kartoffeln, Kohlraben, Rüben, Möhren, Bohnen, Kohl, Gurken, Lattich usw. in hinreichender Menge, dagegen wird Klee, Flachs und Rübsamen (-Raps) wenig gezogen. Die Obstzucht ist sehr vernachlässigt und man beschränkt sich im allgemeinen nur auf gewöhnliche Sorten. Das Steinreich liefert hauptsächlich Eisenstein und Kupfererz, sowie Gypsspath und Dachschiefer.

Die Bewohner des Bezirks sind von mittlerer Größe und in der Regel mit einem robusten Körperbau versehen, worauf Witterung, Nahrung und Kleidung einen sichtbaren Einfluß ausüben. Die meisten Wohnungen sind zweystöckig, von Holz erbaut und größtentheils mit Stroh gedeckt; ihre innere Einrichtung ist selten zweckmäßig, noch schön. Allgemein eingeführt sind die s. g. Kranzöfen - ein aus 5 gegossenen Platten und einem Blechkasten bestehender Ofen - worauf fast das ganze Jahr hindurch gekocht wird, und für die Gesundheit äußerst nachtheilig ist. Die Kleidung der Landleute besteht bey Männern meistens in einem leinernen Kittel und Hosen, in einer wollenen Weste oder einem gestrickten Camisohl, wollenen Strümpfen und stark benägelten- Schuhen. An Sonn- und Festtagen wird anstatt dem Kittel, gewöhnlich ein Gehrock angezogen. Die Kleidung der Frauen, Mädchen, auf dem Lande ist nach den einzelnen Abtheilungen des Bezirks verschieden, keineswegs dem Wechsel der Mode unterworfen, jedoch weder zweckmäßig noch schön und hat sich von dem ältesten Zeiten her erhalten. Dagegen wird in Gladenbach von den wohlhabenden ein bedeutender Aufwand gemacht. Die Reinlichkeit im allgemeinen gehört nicht zu den gangbarsten Artikeln im Bezirk, doch zeichnen sich auch hier wieder einzelne Orte - und überhaupt die wohlhabende Classe vor anderen aus.

Das Reinigen der Straßen ist fast gänzlich vernachläßigt, und man findet mehr Koth als Pflasterstaine. In den Wohnstuben der Landleute wird fast das ganze Jahr hindurch gekocht, gesotten, gebraten und gewaschen, und dabey selten die Luft durch Öffnen eines Fensters erneuert. Die Bettücher und Bettüberzüge - wenn deren da sind - werden bey vielen in 3 Monat nicht gewechselt und es herrscht fast überall die größte Armuth an Weiszeug. Die unmittelbare Reinigung des Körpers geschieht bey den Landleuten wöchentlich ein, selten 2mal und bey vielen wird hieran gar nicht gedacht. Zum Baden ist außer der Nähe des Lahnflußes, wenig Gelegenheit, und wird, wo es möglich ist, nur von der Jugend und namentlich von den Knaben benutzt. Die Hauptnahrungsmittel sind Brod, Kartoffeln, Sauerkraut, Mehlspeisen und Fleisch - frisch und getrocknet -, wie es die Umstände erlauben. Das Brod der meisten Landleute ist zu stark gesäuert, rauh und nicht ganz ausgebacken. Das Weisbrod, welches in Gladenbach gebacken wird, ist gut, weniger findet man dieses auf dem Lande. Die Kartoffeln machen in jeder Jahreszeit das Hauptgemüß aus und erscheinen auf mancherley Art zubereitet in vielen Haushaltungen täglich 2-3 mal. Jeder Hausmann, wenn er nicht gar zu arm ist, schlachtet jährlich 1 auch 2 Schweine. Wildpret, Fisch und Krebse giebt es wenig, und kommen nur auf die Tafel der Wohlhabenden. Kaffee wird viel und wirklich im Übermaß getrunken, jedoch meistens mit einem Zusatz von gebrannten Möhren, Runkeln, Korn oder Cichorien.

Das Wasser ist nach Lage der Brunnen von verschiedener Güte und Reinheit, im ganzen jedoch gut und äußert meines Wissens keinen nachtheiligen Einfluß auf die Gesundheit. Außer Wasser wird Wein, Bier, hauptsächlich aber Brandtwein getrunken, letzterer ist sogar bey vielen zum täglichen Bedürfnis geworden, und wird im Übermaß genossen, so daß Gesundheit und Wohlstand dadurch leiden. Dabey ist der hier gebräuchliche Kartoffelfusel von sehr schlechter Qualität und häufig mit schädlichen Substanzen vermischt. Es finden sich sodann im Bezirk eine übermäßige Anzahl Brandtweinschänken und werden deren täglich noch mehr errichtet. Die Vermögensumstände der Bewohner sind bekanntlich schlecht und es herrscht mehr Armuth als Wohlstand; zumal da ein großer Theil derselben ganz unter der Leibeigenschaft der Geldverleiher seufzet, deren Wohlstand sich in einem Zeitraum von 9 Jahren auffallend verbessert hat, weshalb auch dem baldigen ins Leben Treten der schon lange projectirten Spar- und Leihkassen von vielen Seiten mit Vergnügen entgegengesehen wird. Acker- und Wiesenbau bedürfen noch mancher Verbesserung und ob es gleich der landwirtschaftliche Verein für die Provinz Oberhessen an Unterstützung und Belehrung zum Emporkommen der Landwirtschaft nicht fehlen läßt, so will die gute Sache doch keinen rechten Fortgang gewinnen.

Was die Fortpflanzung betrifft, so kann man im Durchschnitt auf ein Ehepaar 4 - 6 Kinder rechnen. Hurerei und wilde Ehen sind nicht selten. Die meisten Bewohner bekennen sich zur evangelischen Religion, außer diesen findet man einige Katholiken und etwa 120 Juden. Seitdem die Schulen mit besseren Lehrern besetzt sind, ist der Unterricht gut und ihr wohlthätiger Einfluß auf die Jugend ist nicht zu verkennen. Die Krankheiten, welche unter den Bewohnern des Physicatsbezirk Gladenbach, am meisten vorzukommen pflegen, sind folgende: Sowohl das Clima als die Lebensart bringen es mit sich, daß catarrhalische, rheumatische und gastrische Leiden eine Hauptrolle spielen und am häufigsten vorkommen. Die leichte Bekleidung, die übermäßig heißen Stuben, der öftere Wechsel der Temperatur und Witterung, sind Momente wodurch leicht Verkältungen stattfinden können. Ebenso werden durch den übeimäßigen Genuß im Essen und Trinken gastrische Störungen veranlaßt und man findet diese Classen von Krankheiten meistens das ganze Jahr hindurch.

Außer diesen findet man hauptsächlich im Frühjahr bei anhaltendem Nord-, Nordost- und kaltem Südostwind Entzündungskrankheiten, wie z.B. Lungen-, Brustfell- und Halsentzündungen, zuweilen auch Augenentzündungen und Rosen. Im Sommer gibt es in der Regel wenig Kranke, es zeigen sich wohl gegen das Ende hin, hier und da Diarrhoe und ruhrartige Durchfälle, Colik und sporatische Cholera, als Folge von Erkältung und dem Genuß unreifer Früchte und überhaupt schlechter Nahrungsmitel. Masern, Rötheln und andere Ausschlagskrankheiten finden sich zuweilen auch in dieser Zeit. Im Herbst nehmen die Krankheiten wieder mehr den entzündlichen Charakter an, und man findet außer Hals- und Augenentzündungen, Schnupfen, Husten und Gliederreißen, nicht selten Oedeme und Wassersuchten. Im Winter finden ich sodann vorzugsweise rheumatische und Catarrhalische Affecte aller Art ein, wie z.B. rheumatisches Seitenstechen, Husten, Schnupfen und Halsweh. An Hämmorrhoidalbeschwerden leiden viele und Scrofelkrankheit, Rachitis und Atrophie kommen häufiger vor, jedoch selten in ärzliche Behandlung. Seit mehreren Jahren erscheinen mit jedem Frühjahr die modificierten, Menschenblattem, im Gefolge von Rötheln, Masern und falschen Pocken. Das Wechselfieber bringen die beurlaubten Soldaten, welche in Worms garnisonieren und in der Regel die Trescher mit. Flechten und Krätze sind nicht selten, dagegen leiden nur wenige an venerischer Krankheit. Nerven- und Faulfieber erscheinen selten und ich habe in den 10 Jahren wo ich hier bin nur eine Nervenfieber-Epidemie beobachtet.