Herzlich Willkommen auf den Seiten des mittelhesischen Autors Kurt Werner Sänger. Wenn sie krachlederne Burlesken erwarten oder humorvolle Büttenreden und folkloristische Anekdoten in "Hessisch" einschließlich diverser Kochrezepte, dann sind sie hier leider auf den falschen Seiten gelandet. Sollten sie jedoch neugierig sein auf eine Dichtung, die ihre beschauliche Sonntagsheimat auf den Kopf stellt, dann sind sie herzlich willkommen.
Kurt Werner Sänger, geboren im Sommer 1950 in
Gönnern, in einem Dorf im Hinterland am
Oberlauf der Lahn im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Lebenswelten in geduckten Stuben und Ställen formen Denken und
Sprechen, wird der Dialekt zur ersten erworbenen Sprache und zum
literarischen Grenzgang einer Heimatdichtung zwischen Alptraum und
Sehnsucht. Die Texte folgen nicht dem Bewahren
von Sprache als Reflex auf sich kulturell ändernde Wirklichkeiten.
Der Hinterländer Dialekt gilt dem Autor einzig als literarisches und authentisches
Merkmal dörflicher Figuren und Bilder als eine Poesie der
Kenntlichkeit dörflicher Spiegelungen, Wagnissen und
Brüchigkeiten im steten sozialen und kulturellen Wandel. Damit ist
der Autor der Wirklichkeit seiner Heimat näher als der populistische
Gebrauch derselben. Diese Heimat ist zu kostbar, um sie politischen Narren zu überlassen.
Grafik: Wolfgang Rudelius, Friedberg (1983).
Posthum mit freundlichem Gruß an Samuel Beckett, irischer Heimatdichter (1906 - 1989).
wann´s raant, gie ma heem wenn´s regnet, gehen wir heim wann´s nit raant, blaiwe ma häi wenn´s nich regnet, bleiben wir hier raant´s nit un ma hu ke lost regnet´s nicht und wir haben keine lust gie ma aach heem gehen wir auch heim raant´s - breache ma suwisuu regnet´s - brauchen wir sowieso nit ze blaiwe nicht zu bleiben gie ma da heem un wesse nit gehen wir dann heim und wissen nicht woas ma da mache sinn was wir dann machen sollen kinnte ma jo aach glaisch häiblaiwe könnten wir ja auch gleich hierbleiben fearäasgesasst - es raant nit vorausgesetzt - es regnet nicht
Einen Dialekt "Hessisch" als gemeinsames und kulturelles Merkmal aller Hessen gibt es nicht. Das Bundesland Hessen wird per Proklamation im September
1945 von General Eisenhower geschaffen. Die bis dahin historisch
nicht einheitlich verfassten Kernterritorien aus Kurhessen,
dem Großherzogtum Hessen und Hessen-Homburg, der Freien
Reichsstadt Frankfurt, dem Fürstentum Waldeck und dem Herzogtum
Nassau werden zu einem Staatsgebilde mit Regierungssitz in Wiesbaden und den Regierungsbezirken Kassel, Wiesbaden und Darmstadt ungeachtet ihren jeweiligen kulturellen Ausrichtungen zusammengeführt.
Der heute irrtümlich als "Hessisch" verstandene Dialekt entspricht dem Sprachgebrauch des Südhessischen in der Metropolregion Rhein-Main. Ein regionaler Ausgleichsdialekt, der unter Dialektologen heute als "Neuhessisch" - spöttisch auch RMV-Deutsch oderBembelhessisch - bezeichnet wird. Ein vergleichsweise moderner Dialekt, dessen Einfluss gegenwärtig bis weit in das Mittelhessische (Zentralhessen) reicht und die alten oberhessischen Dialekte der Wetterau sowie des Vogelsberges überdeckt und einen Sprachraum vom mainfränkischen Aschaffenburg bis zum rheinhessischen Mainz und Wiesbaden sowie vom oberhessischen Gießen bis zum "Heinerdeutsch" der Darmstädter erfasst. Ein Sprachraum, in dem heute rund sieben Millionen Menschen beheimatet sind.
Ein Medialekt erobert die Bühnen und die Medien
Bundesweit wird jedoch einzig dieser Dialekt als moderne städtische Ausgleichssprache durch Fernsehserien der Familie Hesselbach, durch Prunksitzungen zur Mainzer Fatsnacht oder durch den Blauen Bock mit Heinz Schenk (1924 - 2014) und Lia Wöhr (1911 - 1994) populär. Schenk versteht es mit breitem Schlappmaul genial, den rheinhessischen Mainzer Dialekt als das "Hessische" schlechthin zu verkaufen. Ein "weisch" eingeschliffenerMedialekt, den der gebürtige Friedberger und Wetterauer Wolf Schmidt (1913 - 1977) in seiner Rolle als Babba Hesselbach als "Kompromisshessisch" bezeichnet hat, um Irrtümern angesichts der Vielfalt der hessischen Dialekte vorzubeugen.
Denn die Dialekträume fallen in Hessen höchst unterschiedlich aus. So wird mit jeweils fließenden Übergängen und Mischdialekten im Norden Niederhessisch, bzw.Niederdeutsch oder Ostwestfälisch gesprochen, im Osten Thüringisch undOstfränkisch in Teilen der der Rhön. In Zentralhessen im Vogelsberg und dem Gießener/Marburger Becken ist das Oberhessische bestimmend, das noch einmal sprachgeschichtlich eine gesonderte Stellung einnimmt. Im Süden und Südwesten beherrschen dasRheinhessische, das Rheinfränkische und das Hessen-Nassauische die Zungenschläge in Nachbarschaft zum Moselfränkischen mit ebenfalls sich herausbildenden modernen Ausgleichssprachen.
Hessen - Heimat der kulturellen und sprachlichen Vielfalt
Eine besondere Bedeutung in der kulturellen Entwicklung Hessens kommt Ende des 17. Jahrhunderts mit dem Zuzug der aus Frankreich vertriebenen protestantischen Hugenotten und Waldensern zu. Hessen wird ein Einwanderungsland für religiös und politisch Verfolgte. Es kommt zu Neugründungen zahlreicher Städte und Siedlungen in den Provinzen Hessens. Noch prägender ist der französische Einfluss auf die Dialekte infolge der Französischen Revolution und des Machtstrebens Napoleons. Zahlreiche Lehnwörter und Redewendungen entlang den ehemaligen Rheinprovinzen bestimmen heute noch die Dialekte im Rheinlandpfälzischen, im Rheinhessischen und im Südhessischen bis weit ins Mittelhessische hinein. Das Schäszelong oder die Schossee mit seinem Schondärm wie das Frankfurter Schardengsche mögen als Beispiele hierfür stehen.
Will man einmal Tacheles reden, stehen uns - nicht nur
in den Dialekten - ebenfalls eine Fülle an Lehnwörtern aus dem Jiddischen zur
Verfügung. Nach der Maloche sollte beispielsweise keiner mehr unterhalb des
Mindestlohnes abgezockt werden, um nicht existenziell in der Pleite zu
landen. Ein Schlamassel, der dem Betuchten und Großkotz fremd ist, schöpft er doch gerade seinen Reibach da heraus, was der ausgekochte Gewerkschaftler gar nicht dufte findet und sich heute bis ins kleinste Kaff herumgesprochen hat. Mauscheln geht da nicht mehr, alles andere wäre Stuss, der aber genau den Zoff und Zores der Politiker ausmacht, weshalb sie nach ihren Debatten so ziemlich geschlaucht aussehen.
Jiddisch, Manisch und Französisch
Geradezu
erfrischend in der regionalen Sprachgeschichte ist die Verknüpfung
der mittelhessischen Dialekte mit Lehnwörtern aus dem Manischen, ein
dialektales Romanes, ein im Raum Gießen und Marburg ausgestorbener Soziolekt. Wer zum Beispiel mit einer schickeren Chefmoss
beim Pimpern in einer zwielichtigen Katschemme, einer Schockelemaibaitz, von einem Schlawiner mit
einem Spannuckele auf der Nase heimlich ofgeluert wird,
dem geht der Ruf des Meckes
nach, ein nicht zur Sippe gehörender und frecher Mensch zu sein. Das mag ein
jeder raffen, so wie
es einem Spanner ogedäält ist
- oder auch nicht. Am Ende muss er sich selbst entspannen
wie der Autor sich einer Übersetzung in aller Höflichkeit entzieht und uns lehrt: Es lebt ein jedes Maul zugleich auch im Geschwätz des Nachbarn auf und davon, wie sich die Mäuler einander begegnen und sich im Alltag verreißen. Oder, um es frei mit Johann Wolfgang Goethe zu sagen, brummt ein jeder Bär nach seiner Höhle, aus der er kommt, ungeachtet seiner stürmischen und drängenden Wetzlarer Leidenschaften.
Nach dem Ende des zweiten
Weltkrieges und nach der Schreckensherrschaft und den Verbrechen der Nazis müssen
allein in Hessen neben den Evakuierten aus den zerbombten Städten
nahezu eine Million Menschen aus den ehemaligen Ostgebieten des
in Trümmern untergegangenen Deutschen Reichs aufgenommen und integriert werden,
insbesondere in Hessen aus den ostmittel- und südeuropäischen Ländern aus
Ungarn, der Tschechoslowakei und des Sudetenlandes. Wenn auch die
Standardsprache diese Integrationsleistungen befördert, so bleiben
doch die jeweiligen Dialekte, die Lebensgewohnheiten und Bräuche der Heimatvertrieben in der ersten und zweiten Generation neben den
alteingesessenen Varietäten als Identifikationsmerkmale auf dem Lande bestehen. Sie bilden in eigens errichteten Siedlungen Parallelgesellschaften gegenüber den Alteingesessenen aus, nicht selten mit spannungsgeladenen Vorurteilen und Schmähungen. Zuletzt ist es Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), der nach dem
Zerfall der Sowjetunion für die Spätaussiedlung der in Russland
verbliebenen rund 370 000 Menschen deutschstämmiger Minderheiten sorgt.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Bundesrepublik kommen Gastarbeiter mit ihren Sprachen, Lebensgewohnheiten und Dialekten nach Hessen. Deren Sprachkurs beginnt am Arbeitsplatz, beim Kollegen am Fließband oder auf der Baustelle. Hochdeutsch wird dort nicht gesprochen. Sie sind maßgebend an den Aufbauleistungen in Hessen beteiligt, insbesondere in den Metropolregionen Kassel, Gießen und Wetzlar, zu guter Letzt in Frankfurt, das sich aufgrund seiner zentralen Verkehrslage zu einem europäischen Wirtschaftsstandort und zur heutigen internationalen und mulitikulturellen Bankenmetropole entwickelt. Entsprechend ist es 1989 politisch konsequent und bundesweit ein Novum, ein Amt für mulitikulturelle Angelegenheiten zu schaffen. Heute heißt der Hessische Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landentwicklung Tarek Al-Wazir (Grüne), ein gebürtiger Offenbacher, zugleich Stellvertreter des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU), alteingesessener Gießener mit französischem Namen, dessen sprachgeschichtliche Herkunft im Viehtreiben von Ochsen zum Metzger begründet sein soll.
Zwischen permanentem Sprachlabor und reanimiertem Sprachmuseum
Derzeit sind es die Anglizismen und die Sprache des Internets. Längst gehört das Daunloare einer Wäbsaire zum dialektalen Wortschatz, sehr zum Leidwesen der Dialektpuristen, Heimat- und Brauchtumsschützer, deren Bestreben im steten sozialen und kulturellen Wandel einer offenen Gesellschaft auf die Probe gestellt wird. In allen hessischen Kommunen bestehen neben der Standardsprache als Hauptsprache und den Dialektvarietäten verschiedene multikulturelle Sprachebenen, die im Sinne eines Code-Switchings die Alltagskommunikation bestimmen und kulturelle Identifikationsmerkmale aus übernommenen und neu hinzu gewonnenen Merkmalen und Werthaltungen am Beispiel des Neuhessischen im Alltag ausbilden.
Demnach münden die lokalen Dialekte (Topolekte) in regionale Ausgleichsprachen (Regiolekte) mit weiterhin erkennbaren regional gefärbten Lautformen, wobei im Norden die standardsprachlichen Anteile gegenüber den Dialektvarietäten überwiegen. Im Stammland der Chatten wird indessen Hochdeutsch gesprochen, wobei es ein immer wieder kolportiertes Märchen ist, die Chatten seien der historische Stamm der Hessen. Eine nicht belegte und eher der spätantiken Hessenromantik geschuldete Auffassung. Denn die Chatten sind früh in kulturellen Mischgebieten und späteren fränkischen Siedlungsräumen in Hessen aufgegangen, die zuvor in vor- und frühgeschichtlicher Zeit von Bandkeramikern und Kelten mit Zentren in der Wetterau und Nachbargebieten besetzt waren.
Des Weiteren gehören heute Englisch und Französisch zum Schulstandard, werden Fremdsprachen im Urlaub erworben oder im internationalen Geschäfts- und Reiseverkehr vorausgesetzt. Zudem beherrschen Mode- und Jugendprachen die Sprachebenen, wie ehedem in allen Sprachperioden Lehnwörter und Redewendungen die Mäuler bestimmt haben. Das oftmals Banale wird heute mit Fremdworten überdeckt und - insbesondere in der Werbung - als zusätzliches persönliches Identifikationsmerkmal und psychologisches Scharnier des Sozialprestiges aufgewertet. Aus dem Lebensmittelgeschäft wird ein Food Center und aus dem Hausmeister ein Facility Manager - und aus der heimischen Mundartgruppe selbstredend ein Dialekt Team mit ortsansässigem Dialect Coach und Account Manager.
Eine stete Herausforderung für den, dessen traditionelle Sprachkultur jeweils aufs Neue an der Sprachwirklichkeit scheitert wie es nicht möglich ist, als junges Mädchen mit sieben aufgebauschten und sperrigen Schwälmer Trachtenröcken nebst gebundener Kopfhaube in einen Opel Corsa einzusteigen. Bildlich: Es kommt nicht mehr vom Fleck und rechtzeitig zur Verabredung, währenddessen der Angebetete sich mithilfe eines Dating Coaches neu orientiert hat. Anmachen geht heute anders und mit sieben Röcken geht schon mal garnicht.
Substandard und Dialekt Eine Herausforderung für Heimat- und Brauchtumsschützer. Autorenfoto, Wetterau (2010).
Heute aus der
romantisch-sprachideologischen Retrospektive eines Sprachmuseums
volkstümelnder Krähwinkelei und Sonntagsheimaten dennoch eine dialektale Leitkultur für morgen zu
begründen, das ist mehr als nur ideologischer Mumpitz. So gibt es beispielsweise im Landkreis Marburg-Biedenkopf seitens eines rührigen Hinterländer Dialektvereins Bestrebungen, die Dialekte als Kulturgut mit Verfassungsrang in Hessen zu schützen, wobei noch unter den Brauchtumsschützern strittig ist, welche Sprachperiode mit ihren jeweiligen Lautverschiebungen hierfür herangezogen werden soll.
Die Hinterländer Mundart
Die Hinterländer Mundart, eine Varietät im nordwestlichen Mittelhessen,
zählt noch zu den älteren Dialekten in Hessen, deren Strukturen
teilweise aus dem Althochdeutschen ableitbar sind und deren
Lautsystem noch mit dem Mittelhochdeutschen verbunden ist. Der für
fremde Ohren eigentümlich klingende Dialekt gehört den
westmitteldeutschen-fränkischen Sprachgruppen an. Er bildet eine
Brücke zwischen dem mittelhessischen rhreinfränkischen Süden sowie
dem niederhessischen und niederdeutschen Norden. Verbreitungsgebiet
dieser Mundart ist die alte hessen-darmstädtische Provinz Oberhessen
mit benachbarten Gebieten im alten Kurhessen und Nassau. Das
stimmlose "s" wird zu "sch“ verschliffen, das "r"
wird mit der Zunge an den Gaumen gedrücktes und gerolltes
retroflexes Zungen-"r" gesprochen. Zu den weiteren
Besonderheiten gehört der Wandel der stimmlosen Laute "k",
"p" und "t" zu stimmhaften "g", "b"
und "d", sowie das Verschleifen des "er" zu "a"
vor allem in der Endsilbe (Wetterau - Wearrera). Besonders auffällig
sind die sogenannten gestürzten Diphtonge. Die mittelhochdeutschen
fallenden Zwielaute "ie", "üe", und "uo"
erscheinen als steigende Zwielaute "äi", "oi"
und "ou". Alle Diphtonge werden eindeutig betont, so dass
es nicht zu einer Verwechselung beispielsweise von "ai" und
"äi" kommt. Der Laut zwischen "a" und "o"
wird durch "oa" realisiert. Der Buchstabe „v“ wird zum
„w“ oder „f“ je nach dem Lautstand des Wortes (Vogel -
Fuchel, Blumenvase - Bleammewase) und "äu" und "eu"
wird zu "oi" (Kräuter - Kroira, Leute - Loire), "ch"
wird zu "k" oder zu "x". Bei Eigennamen oder
Sonderformen bleiben in der Regel die Standardformen der
Schreibweisen bestehen.
Leider haben die Germanen uns keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen. Vielleicht aus vorauseilender Schläue, von den heutigen Sprachpuristen und Heimatideologen beim Fremdgehen der Mäuler nicht erwischt zu werden, weil sie schon früh entlang des Limes das Latein der multikulturellen Römer in den Ohren und auf den Zungen hatten und sich deren Schrift statt der Runen aneigneten wie sie das Rechnen mit arabischen Ziffern erlernten. Das Gleiche gilt dann entsprechend auch für den Heimatbegriff selbst, was nun Heimat ist und was nicht, zumindest in der Sprache. "Kall, mei Droppe ...!" würde Liesel Christ (1919 - 1986), Volksschauspielerin und "Mama Hesselbach" aus ihrem Grab heraus seufzen, sollte ein solches Hinterländer Ansinnen in der sprachlichen Wirklichkeit umgesetzt werden. Sie würde beim Frankfurter Idiom eines Friedrich Stoltze (1816 - 1891) bleiben wollen.
"United Colors of Bembletown" - Eine Fan-Initiative der Frankfurter Eintracht
Eine solche
Kultur des folkloristischen Sprachmuseums macht den anders Sprechenden am selben Ort und zur selben Zeit in einer offenen Gesellschaft
mundtot und schließt jede weitere regionale Sprachentwicklung und
Identitätsfindung und Teilhabe aus, indem sie kulturell erstarrte
Parallelgesellschaften etabliert, in deren Verständnis selbst der
Religionsstifter des Abendlandes als christliche Leitkultur mit
seinem aramäischen Dialekt keinen Platz haben dürfte. Demnach
dürfte auch der Zimmermann Yusuf mit seiner Frau Miriam und ihrem
neunmalklugen Kind Yeshua nebst Öchslein und Eselchen unterm bayerisch-christlichen
Kichengestühl und bei der Ausländerbehörde keine Aufnahme finden. Als Weihnachtskrippe schon und die Jungfrau Maria - statt züchtigem Kopftuch - mit tiefem Dekolletee im Dirndl. Ergänzend dazu noch die Heiligen drei Könige als die Weisen aus dem Morgenland im neuen Outfit namens Seehofer, Söder und Dobrindt. Heimat verpflichtet in Christi! - Amen.
Die Dialekte
sterben nicht aus. Sie verändern sich mit den Lebens- und
Wirtschaftsräumen. Sie bilden die Sprachräume ab, in denen die
Menschen sich täglich auf das Neue begegnen und sich in ihren
Sprachen als wirklich gelebte Heimat in direkter Nachbarschaft begründen müssen, ganz gleich wie einem der
Schnabel gewachsen ist, sei es in einer Kneipe im Frankfurter Gallusviertel, in einem Hinterhof oder in einem Dorf. Wenn jemand sagt, seine Heimat sei die Frankfurter Eintracht, dann steht dies ihm zu wie dem Lauterbacher Strolch, der mit verlorenem Strumpf gleich hinterm Vogelsberg seine Heimat sucht. Nur kriegt die Eintracht öfter was auf die Socken, was uns lehrt: Heimat muss immer wieder auf das Neue erstritten werden. Und da ist es die Eintracht, die mit ihrem multikulturellen Kader - beispielsweise aus Finnland, Japan, Ghana, Mexiko, Israel und Argentinien sowie den Niederlanden - den rassistischen Heimatideologen nicht nur die rote Karte zeigt wie es einst der gebürtige Vogelsberger Matthias Beltz (1945 - 2002) nicht besser hätte machen können, sondern auch noch den Pokal gewinnt - gegen Bayern München.
Heimat - ein Ideologem
Wenn es jenseits der ideologischen
Befangenheiten diverser Arbeitsgemeinschaften für Dummschwätzer
(AfD) eine Heimat gibt, dann zuerst in der Sprache, die man in sich
trägt und mit sich nimmt, wohin man auch geht. Oder
gezwungen wird, zu gehen. Weil einem die Sprache mal wieder aus dem
Maul geschlagen werden soll von politischen Narren und dumpfen Heimatideologen, deren gauländische
Heimatfahne nach acht Pils gekanthertem Storchenbräu zur Alten Dreggerei uns
wieder einmal mehr ins Gesicht weht als ein Ideologem, dessen Angst einzig darin besteht, von der Wirklichkeit der Heimat und deren kriminellen Spenderherzen sowie den
politischen Lügen davon erwischt zu werden. Die Vorfahren des Autors sind sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits nachweislich seit 1650 am Oberlauf der Lahn beheimatet. Er ist in deren Sprache und Kultur auf schiefen, steinernen Äckern, Erzgruben und Eisenhütten hineingeboren. Von "Heimat" braucht ihm dort keiner etwas zu erzählen. Davon hat er reichlich - und genug.
Zum Lärmenmachen wählt man die kleinsten Leute - die Tambours Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799).
Zuerst sind sie high, dann matt - Highmatt Zitiert nach Hartmut Barth-Engelbart. Radierung von Klaus Schlosser (1986), aus: "schwortswaise raabooche" (1987).